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Pu­bli­ka­tionen

12.05.2022

«Wichtige Hilfe für strategische Weichenstellungen»

Kennzahlen sind eine wichtige Grundlage, um ein Unternehmen erfolgreich zu steuern. Diese Kennzahlen bringen jedoch nur etwas, wenn auch passende Vergleichswerte vorhanden sind. Seit über 25 Jahren können Schweizer Garagenbetriebe dank des Branchenspiegels der Figas von solchen Referenzwertvergleichen profitieren. Jvan Hutter, Leiter Business Management und Vizedirektor bei der Figas Autogewerbe-Treuhand der Schweiz AG, erläutert im Interview Details zum neusten Branchenspiegel.
«Garagisten und Händler sind bei Rücknahmen wählerischer geworden»

Die Figas und der AGVS sorgen dafür, dass repräsentative Kennzahlen für die Branche erhoben werden – die aktuelle Ausgabe des Branchenspiegels liegt dieser AUTOINSIDE-Ausgabe bei. Dank der Angaben darin erhalten Unternehmer ein umfassendes Bild von den wichtigsten finanziellen Kennzahlen, aufgeteilt nach Betriebsgrössen und den Schweizer Durchschnittswerten.


Jvan Hutter, bevor wir ins Detail gehen, gleich eine grundlegende Erkenntnis aus dem aktuellen Branchenspiegel: Den Schweizer Garagisten scheint es trotz Corona und Lieferschwierigkeiten gut zu gehen. Zum Beispiel ist die Eigenkapital-Rentabilität wieder von 2,6 auf 6,2 gestiegen und der Cashflow erreicht 2,3 Prozent des Umsatzes.

Auf den ersten Blick ist ein solcher Sprung bei der Eigenkapitalrendite natürlich sehr erfreulich, nur muss man dabei auch berücksichtigen, dass der Vorjahreswert von lediglich 2,6 Prozent wirklich sehr schlecht war. Auch der absolute Wert von 6,2 Prozent ist nach wie vor unbefriedigend. Rechnet man die stillen Reserven noch zum Eigenkapital dazu, dann liegt dieser Wert sogar noch deutlich tiefer. Auch beim Cashflow muss man genauer hinschauen, denn durch die Lieferprobleme im Neuwagenhandel hat sich die Umsatzverteilung gegenüber früheren Jahren verändert. Insbesondere der Gesamtumsatz ist im Vergleich zu 2019 und weiteren Corona-Jahren tiefer ausgefallen, was sich positiv auf die Verhältniszahlen auswirkt. Insgesamt kann man sagen, dass in diesem dynamischen und herausfordernden Marktumfeld das Geschäftsjahr 2021 für das Schweizer Autogewerbe überraschend erfreulich ausfiel.


Welche Kennzahl im neuen Branchenspiegel überrascht Sie am meisten?

Die beiden gerade genannten Werte. Dass es letztes Jahr wieder besser lief, hat sich bereits früh abgezeichnet. Erfreulich ist sicherlich das Ausmass der Steigerung. Die Lieferverzögerung und -problematik bei Neuwagen haben sich positiv auf die Nachfrage bei den Gebrauchtwagen ausgewirkt. Viele Händler haben dies erkannt und konnten von dieser höheren Nachfrage sowie den gestiegenen Preisen profitieren. Der Boom dürfte jedoch voraussichtlich wieder etwas abflachen, sobald wieder mehr Neuwagen verfügbar sind. Dennoch gewinnt das Occasionsgeschäft für Schweizer Garagisten zunehmend an Bedeutung.


Bei den Liquiditätsstufen Quick Ratio als auch Current Ratio sind die Kennzahlen deutlich gestiegen, welche Konsequenzen hat dies und was steckt hinter dieser Entwicklung?

Gute Geschäftsergebnisse, aber auch die Covid-19- Unterstützungsmassnahmen des Bundes und vor allem der Abbau der Lagerbestände haben dazu geführt, dass die Betriebe aktuell über eine ausreichende Liquidität verfügen. Die Liquiditätsplanung selbst ist jedoch sehr schwierig geworden. Beispielsweise ergeben sich durch die verzögerten Neuwagenlieferungen teilweise sehr kurze Vorlaufzeiten, was je nach Zahlungszielen auch kurzfristig wieder einen Bedarf für grössere Beträge und somit eine hohe Liquidität mit sich bringt.


Erfreulich ist, dass die Werkstattumsätze wieder gestiegen sind. Sie sind nun sogar noch besser als vor der Pandemie – und dies nicht nur bei den grösseren Betrieben, sondern auch bei kleineren und mittelgrossen. Bezüglich Werkstatt-Jahresumsatz pro Mitarbeitende ist exakt das Niveau vor Corona erreicht worden. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Der Umsatz pro Mitarbeiter liegt auf dem Niveau von 2019. Da die Verrechnungslöhne jedoch zugenommen haben, heisst das auch, dass die verkauften Stunden pro Mitarbeiter leicht zurückgegangen sind. Die Werkstatt profitierte zudem davon, dass durch die schwierigen Liefersituation bei den Neuwagen das Durchschnittsalter der Fahrzeugflotte gestiegen ist. Dadurch wurden im Vergleich zu früher vermehrt Reparaturarbeiten vorgenommen. Doch sobald sich die angespannte Situation im Neuwagenhandel entspannt, könnte sich das wiederum negativ auf den Aftersales-Umsatz auswirken.


Die Bruttogewinnmarge im Occasionshandel hat wieder deutlich zugenommen. Von 5,7 Prozent im Jahr 2017 auf 7,8 Prozent im Jahr 2021. Fehlt der Gewinn dafür in einem anderen Bereich?

Er kompensiert zumindest teilweise den fehlenden Gewinn im Neuwagenhandel. Aber es muss auch hier davon ausgegangen werden, dass die Bruttogewinnmargen mittelfristig wieder sinken, sobald sich die deutlich gestiegene Nachfrage nach Occasionen wieder normalisiert. Spannend wird in diesem Zusammenhang sicherlich die Entwicklung des Occasionsmarktes für Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben sein. Bis jetzt ist die Nachfrage nach gebrauchten Elektroautos oder Plug-in-Hybriden noch relativ bescheiden. Kommen vermehrt E-Modelle auf den Occasionsmarkt, könnte dies die Bruttogewinnmargen drücken.


Die Lagerdauer bei Occasionen hat deutlich abgenommen. Kann dies zu einem Problem werden oder haben sich die Zahlen in den ersten Monaten von 2022 verändert?

Dieses Problem besteht bereits seit längerer Zeit. Es ist für Garagisten daher auch zunehmend schwieriger geworden, «gute» Occasionen zu vernünftigen Preisen zu finden. Der Markt ist diesbezüglich inzwischen fast ausgetrocknet, was dazu führt, dass die Occasionen ziemlich schnell einen Käufer finden.


Im Jahr 2020 haben die Covid-19-Überbrückungskredite einen wesentlichen Anteil zur Verbesserung der Liquidität beigetragen. Sie sprachen vor Jahresfrist von einem «trügerischen Bild», denn diese Kredite müssen in den nächsten Jahren zurückbezahlt werden. Haben sich die Liquiditätskennzahlen diesbezüglich bereits verschlechtert?

Nein. Die erste Rückzahlungstranche war grundsätzlich erst per 31. März 2022 fällig. Ausserdem kann bei Liquiditätsproblemen die Rückzahlung in der Regel noch nach hinten geschoben werden. Mittelfristig werden sich jedoch die Liquiditätskennzahlen durch diese Rückzahlungen sicherlich verschlechtern …


Welchen Ratschlag geben Sie den Garagisten betreffend Finanzen mit auf dem Weg?

Das Bilanzbild sieht Ende 2021 insgesamt gut aus. Die Herausforderungen sind im Schweizer Autogewerbe jedoch nicht kleiner geworden. Besonders die aktuell komfortable Liquiditätssituation kann sich recht schnell ändern, wenn die Lager wieder mit attraktiven Neuwagen oder auch «guten» Gebrauchtwagen gefüllt werden. Wichtig wird vor allen sein, darauf zu achten, dass die benötigten Mittel verfügbar sind, wenn Neuwagen zur Zahlung fällig werden.


Die obligate Frage zum Abschluss: Haben Sie schon Daten, wie sich die ersten Monate im Jahr 2022 für die Schweizer Garagisten entwickeln?

In Anbetracht der schwierigen geopolitischen Situation, aber auch den ungewissen Auswirkungen auf Energielieferungen und -preise sowie der verschärften Zulieferproblematik, sind Prognosen äusserst schwierig. Erste Daten sowie auch die Immatrikulationszahlen neuer Personenwagen zeigen leider eher ein negatives Bild.


Foto und Text: Jürg A. Stettler / AutoInside

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