Ein Interview des Fachmagazins AUTOINSIDE mit Andreas Kohli
Andreas Kohli, was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Erkenntnis des Branchenspiegels 2024?
Andreas Kohli: Die Kennzahlen bewegen sich mehrheitlich wieder auf dem Niveau früherer Jahre. Es war absehbar, dass die überaus guten Werte von 2022 nicht nachhaltig waren.
Eine grundsätzlich wichtige Kennzahl ist der Cashflow, der im letzten Jahr wieder zurückging, nachdem er 2022 in die Höhe geschossen war. Was können Gründe sein und wo ist die kritische Grenze für Garagenbetriebe in der Schweiz?
In erster Linie liegt der Rückgang an den Bruttogewinnmargen im Fahrzeughandel. Es war anzunehmen, dass die hohe Occasionsmarge aus dem Jahr 2022 nicht gehalten werden kann und es zu einer Korrektur kommt. Und im Neuwagenhandel hat der Trend zu tieferen Margen leider stark zugenommen. Die kritische Grenze ist grundsätzlich dann überschritten, wenn die erarbeiteten Mittel nicht mehr ausreichen, um die betriebsnotwendigen Investitionen zu tätigen und den Schuldendienst wie die Rückzahlung der Darlehen zu gewährleisten.
Der erwartete Rückgang beim Bruttogewinn im Neuwagen- und Occasionshandel trat ein, auch weil die Margen immer kleiner werden. Wie lukrativ ist dieses Geschäft noch für Markenhändler resp. gibt es aus Ihrer Sicht eine kritische Grenze?
Der Neuwagenhandel ist insbesondere für kleinere Betriebe bei Anwendung einer Vollkostenrechnung kaum rentabel, sondern muss eher als Werbebeitrag an die Werkstatt angesehen werden. Die Frage ist jedoch, wie hoch dieser Beitrag sein darf. Viele Garagisten werden sich zukünftig wirklich die Frage stellen müssen, ob sie für die Weiterführung des Händlervertrages die vorgeschriebenen Investitionen tätigen sollen und ob sie sich das verlangte Neuwagenlager noch leisten wollen. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Stückzahlen werden, desto mehr Gedanken muss sich der Garagist über die Weiterführung des SalesVertrags machen. Eine Alternative könnte der Ausbau des Occasionshandels sein. Bei einem professionellen Betrieb kann dabei durchaus Geld verdient werden. Das Hauptproblem ist jedoch meistens der sehr hohe Kapitalbedarf zur Finanzierung des Occasionslagers.
Eine wichtige Kenngrösse ist der
SAF-Faktor. Dazu zwei Fragen: Können
Sie diese etwas genauer erläutern
und was zeigt die Entwicklung?
Der SAF-Faktor zeigt, in welchem Umfang das Ergebnis aus dem Aftersales die gesamten Betriebskosten abdecken kann. Ein hoher SAF-Faktor ist sehr wichtig, da der Deckungsbeitrag aus dem Fahrzeughandel sinkende Tendenz aufweist. Auch wenn der SAF-Faktor 2023 gegenüber dem Vorjahr tiefer ausgefallen ist, liegt er erfreulicherweise weiterhin über dem Wert früherer Jahre. Sofern die Betriebe ihre Kosten im Griff behalten, sollte das aktuelle Niveau zumindest gehalten werden können.
Der Eigenfinanzierungsgrad sinkt, weil beispielsweise die Lagerbestände wachsen. Ist das gut oder schlecht für die Betriebe?
Dies ist im Einzelfall anzuschauen. Grundsätzlich ist ein Betrieb mit einer hohen Eigenkapitalquote natürlich solider und auch weniger von Kapitalgebern wie Banken oder Importeur abhängig. Auf der anderen Seite drückt ein sehr hohes Eigenkapital auf die Eigenkapitalrendite und auch im Hinblick auf die Nachfolgeregelung ist eine hohe Substanz nachteilig. Daher kommt der Dividendenpolitik eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Dem deutlichen Rückgang des Eigenfinanzierungsgrades im Berichtsjahr darf jedoch nicht zu grosses Gewicht verliehen werden, da der Wert stichtagsbezogen ist. Wenn die teils sehr hohen Neuwagenlager wieder abgebaut werden können, wird sich dieser Wert automatisch wieder verbessern.
Die kurzfristige Liquidität hat sich stark verschlechtert. Wie ist das zu beurteilen und gibt es vielleicht auch noch einen Zusammenhang mit zurückzuzahlenden Corona-Krediten?
Viele Garagisten haben im Frühling/Sommer umfangreiche Lieferungen von Neuwagen erhalten. Die noch nicht verkauften Fahrzeuge fallen üblicherweise nach ein paar Monaten aus der Freifinanzierung heraus. Da die Lagerfinanzierung meistens sehr teuer ist, haben die Händler nach Möglichkeit diese Fahrzeuge bezahlt, weshalb die flüssigen Mittel entsprechend abgenommen haben. Für Betriebe mit anhaltenden Liquiditätsproblemen war der Erhalt von Covid-Krediten 2020 eine sehr willkommene Entlastung. Die Rückzahlung ist dafür wieder schmerzhaft und muss oft mit wesentlich teureren Mitteln refinanziert werden.
Eine gute Nachricht ist sicher, dass der
Verrechnungslohn um 5,4 Prozent gestiegen
ist. Ist es wirklich eine gute Nachricht
oder täuscht der Schein und der Verrechnungslohn ist für eine gute Rentabilität
immer noch zu tief?
Die Erhöhung des Verrechnungslohnes ist von der Kundschaft insgesamt problemlos akzeptiert worden, was sicherlich positiv zu werten ist. Insgesamt erachte ich das aktuelle Niveau des Verrechnungslohns als angemessen und es hilft dem Garagisten zur Deckung der ebenfalls gestiegenen Betriebskosten sowie zur Erzielung einer angemessenen Rendite. Allerdings können viele Garagisten die teils sehr sportlichen Vorgabezeiten der Importeure bei Service- und Garantiearbeiten nicht immer einhalten. Zudem liegen die Verrechnungslöhne der Importeure teils deutlich unter dem Kundenansatz, was sich bei einem steigenden Anteil an Free Services negativ auswirkt.
Im letzten Jahr attestierten Sie, dass die
Schweizer Garagen gesund seien, es
jedoch mittel- und langfristig weniger
rosig aussehe. Hat sich diese Prognose in
den letzten zwölf Monaten eher verschärft
oder vielleicht etwas entspannt?
An dieser Aussage hat sich grundsätzlich nichts
verändert. Der kurzfristige Rückgang beim Ergebnis war zu erwarten und die zukünftigen
Herausforderungen sind nicht kleiner geworden. Insbesondere die Personalbeschaffung
verursacht vielen Garagisten Kopfzerbrechen.
Und diesbezüglich ist in den nächsten Jahren
leider keine Besserung in Sicht. Ein grosses Risiko sehe ich bei den Leasingrestwerten von
Elektrofahrzeugen. In den nächsten Jahren
kommt eine enorme Anzahl dieser Occasionsfahrzeuge auf den Markt. Bloss, wer soll diese
Fahrzeuge kaufen? Es würde mich sehr positiv
überraschen, wenn der Markt diese Fahrzeuge
ohne namhafte Verluste absorbieren könnte.
Was lässt sich über die Entwicklung im Aftersales, also Werkstatt und Ersatzteile, sagen?
Für Markenvertreter sehe ich die Entwicklung eher positiv. Zwar wird der Umsatz pro Fahrzeug tendenziell sinken. Da die Anzahl Vertreter wohl spürbar sinken wird, sollte der Gesamtumsatz pro Händler trotzdem ansteigen, sofern das verfügbare Personal den Arbeitsanfall bewältigen kann.
Können Sie aufgrund der aktuellen Branchenzahlen eine Voraussage wagen, in welchen Geschäftsfeldern Garagenbetriebe in Zukunft am ehesten ihr Geld verdienen werden?
Im Neuwagenhandel werden nur Betriebe mit
verhältnismässig hohen Stückzahlen Geld verdienen können, weshalb sich dieses Geschäft
zunehmend zu den grossen Händlern verlagert. Für die meisten Betriebe wird das Aftersales-Geschäft bis auf Weiteres die Haupteinnahmequelle bleiben, ergänzt durch den
Occasionshandel. Es werden sich zukünftig
sicherlich auch weitere Geschäftsfelder eröffnen, die uns heute noch gar nicht bewusst
sind. Aber solange die Branche innovativ
bleibt, wird sie auch in Zukunft erfolgreich
sein können.•