Jvan Hutter, der neue Branchenspiegel widerspiegelt das Corona-Jahr 2020 im Schweizer Autogewerbe. Welche Kennzahl hat sie am meisten gefreut?
Jvan Hutter: Auf den ersten Blick sicher die Zunahme der Bruttogewinnmarge im Occasionshandel. Das ist ein sehr erfreulicher Wert, der jedoch nicht allzu überraschend ist. Die Nachfrage nach guten Occasionen stieg 2020 deutlich an und führte dazu, dass die Garagisten höhere Verkaufspreise durchsetzen konnten. Vor allem jüngere Occasionen in neuwertigem Zustand waren und sind immer noch sehr gefragt. Zudem war im 2020 eine Corona-bedingte Verlagerung vom öffentlichen Verkehr auf das Auto festzustellen, was ebenfalls zu einer stärkeren Nachfrage nach Gebrauchtwagen geführt hat.
Nachdem sich die Eigenkapital-Rentabilität der Schweizer Garagen in den letzten Jahren etwas erholt hat, ist sie im vergangenen Jahr auf 2,6 Prozent abgesackt. Auch der Cashflow erreichte nur noch 1,6 Prozent des Umsatzes. Müssen wir uns um die Schweizer Garagen Sorgen machen?
Die ganze Schweizer Autobranche hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Die Pandemie und die Massnahmen zu ihrer Eindämmung wirkten sich vor allem auf den Neuwagenhandel aus. Das hinterlässt natürlich Spuren. Sorgen machen muss man sich primär um jene Betriebe, die sich nicht oder nur ungenügend an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Aber das hat letztlich wenig mit Corona zu tun, sondern mit dem grundlegenden Wandel in der Mobilitätsbranche. Ich denke da an alternative Antriebstechnologien und neue Formen der individuellen Mobilität.
Erstaunlicherweise haben die kleineren Betriebe hier etwas besser abgeschlossen als die mittelgrossen und die grossen Garagen. Worauf ist das zurückzuführen?
Das hat in erster Linie damit zu tun, dass die kleineren Betriebe weniger stark vom Neuwagenhandel abhängig sind. Die Umsatzrückgänge im Bereich Aftersales waren verhältnismässig moderat, wodurch viele kleinere Betriebe einigermassen glimpflich durch die Krise kamen.
Was ebenfalls erstaunt: Auch die Werkstattumsätze sind gesunken – sowohl absolut als auch pro Mitarbeiter. Dabei waren die Werkstätten doch vom Lockdown weit weniger betroffen als der Handel. Wie erklären Sie sich das?
Die Umsätze, auch in der Werkstatt, hatten sich zu Beginn des Lockdowns im Frühling 2020 markant verringert. Allgemein ging mit dem Lockdown die Mobilität zurück und es gab als Folge weniger Unterhaltsbedarf. Zudem gab es seitens der Kunden anfänglich eine grosse Skepsis gegenüber Werkstattbesuchen. Dies führte dazu, dass Fahrzeugservices verschoben und teilweise auch nicht nachgeholt wurden. Obwohl die Garagisten grösstenteils und sehr schnell die erforderlichen Schutzmassnahmen umgesetzt haben, konnten diese Einbussen aus dem Frühling im Verlauf des Jahres nicht mehr aufgeholt werden.
Was auffällt: Die Quick Ratio, also das Verhältnis zwischen flüssigen Mitteln und kurzfristigen Verbindlichkeiten ist von 61,3 auf 71,1 Prozent gestiegen. Sind das die Covid-Kredite des Bundes, die zwar bezogen, aber lediglich als Liquiditätsreserve genutzt wurden?
In der Tat haben die Covid-19-Überbrückungskredite einen wesentlichen Anteil zur Verbesserung der Liquidität beigetragen. Viele Betriebe haben offensichtlich die Möglichkeit genutzt, bis zu 500 000 Franken zinslose Darlehen zu beziehen. Da sind sicher einige Betriebe darunter, die diesen Kredit quasi auf Vorrat beantragt und bisher gar nicht genutzt haben. Auf der anderen Seite beobachteten wir bei vielen Garagen tiefere Lagerbestände, was ebenfalls zu einer Verbesserung der Liquiditätskennzahlen führte. Allerdings: Die Covid-19-Kredite müssen in den nächsten Jahren zurückbezahlt werden. Es ist also absehbar, dass sich die Liquiditätskennzahlen in Zukunft wieder verschlechtern werden.
Auch der Anlagedeckungsgrad hat sich merklich erhöht. Die Schweizer Garagen scheinen also sehr stabil aufgestellt.
Auch das hat mit den Covid-19-Krediten zu tun. Sie führten zu einer Umwandlung von kurzfristigem zu langfristigem Fremdkapital. Das aktuell sehr erfreuliche Bild ist also auch hier trügerisch, denn die Kredite müssen in den nächsten Jahren zurückgezahlt werden. Zudem sind geplante Investitionen in der Krisenzeit aufgeschoben worden. Für deren Realisierung benötigen etliche Betriebe nun zusätzlich langfristiges Kapital. Auch deshalb ist davon auszugehen, dass sich der Anlagedeckungsgrad in den nächsten Jahren wieder verschlechtern wird.
Haben Sie schon Anzeichen oder Daten, wie sich die ersten Monate im Jahr 2021 für die Schweizer Garagisten entwickelt?
Der Handel hatte einen schwierigen Start ins neue Jahr. Die Schliessung der Showrooms vom 18. Januar bis Ende Februar liess den Neuwagenhandel erneut einbrechen. Einen Lichtblick brachte der März, als die Showrooms wieder öffneten. Erstmals seit Beginn der Corona-Krise war ein Monat besser als der Vorjahresmonat. In den Werkstätten läuft das Geschäft ähnlich durchzogen wie im dritten und vierten Quartal 2020. Aufgrund der ersten drei Monaten ist es schwierig, eine Hochrechnung auf das ganze Jahr zu machen. Für die weitere Entwicklung ist der weitere Verlauf der Pandemie entscheidend.
Foto und Text: Sandro Compagno / AutoInside